Angst ist kein guter Ratgeber

Bestürzt verfolge ich seit Wochen die Berichterstattung in den Medien zur politischen Entwicklung in der Flüchtlingskrise. Auch in meinem Freundeskreis treffe ich auf zunehmend mehr Skeptiker in diesem Thema – zumeist von Menschen, die ich bislang nicht als fremdenfeindlich wahrgenommen habe. Dabei ist die zugrundeliegende Flüchtlingskrise aus meiner Sicht kein Thema, welches einen normal-empathischen Menschen unberührt lassen kann. Da flüchten viele Menschen unter dem Eindruck von Krieg und anderen Greueltaten aus zerstörten Gebieten unter teilweise extrem bedrohlichen Bedingungen in ein fremdes Europa. Nur, dass dieses Europa in der Flüchtlingskrise nicht eine einheitliche Sprache spricht. Eigentlich sollte es für einen Staatenverbund mit rund einer halben Milliarde Menschen nicht unmöglich sein eine vergleichsweise geringe Zahl an Flüchtlingen aufzunehmen und zu integrieren. Hier taucht aber schon das erste Problem auf, die meisten Staaten Europas entziehen sich dieser Verantwortung und wollen statt dessen lieber Zäune und andere Abwehrmöglichkeiten gegen diese Menschen errichten.

Jetzt kann man nicht behaupten, dass ich ein großer Freund der Politik Angela Merkels bin. In dieser Flüchtlingskrise machte sie das als eine der Wenigen bislang ziemlich gut. Sie widerstand bislang dem Wunsch ihrer Partei und dem der Schwesterpartei weiter nach Rechts zu rücken und Deutschland in eine Art neuen Nationalismus zu überführen. Das ist gut so. Zugleich sorgen verschiedene Strömungen, etwa durch die AfD oder den ungewöhnlich tölpelhaft agierenden bayerischen Ministerpräsident Horst Seehofer dafür, dass dieser Wunsch zur Kleinstaatelei sich in den Köpfen vieler Bürger breit macht. Zu viele Fremde, das kann nicht gut sein – auch noch Muslime, die entfremden unser Land. „Besser wir machen die Grenzen zu und überlassen diese Menschen sich selbst … wenn jeder an sich denkt ist schließlich für alle gesorgt“. Ich finde das unpassend, kaltherzig und schlicht nicht angemessen für eine der reichsten Nationen der Welt. So sehr uns die andersartig derer, die da kommen manchmal auch erschreckt, wir sollten nicht müde werden diese Menschen fair und human zu behandeln.

Alles soll so bleiben, wie es ist.

Vielleicht ist es die Rache der Merkel, die selbige nun einholt. Diese stets zaudernde, besitzstandswahrende und veränderungsunwillige Haltung, die passt vermutlich erschreckend gut zur aktuellen Haltung vieler Deutscher am rechten Rand des Wählerspektrums. Alles soll so bleiben wie es ist, war schließlich das lange gelebte Mantra der Staatsführerin. Bequem ist es dazu noch.

Uns allen ist bewusst, dass wir es uns alle nicht immer so einfach mit Veränderungen machen. Wer sich beruflich mit Innovationsmanagement beschäftigt, der kann ein Lied davon singen. Ab einem gewissen Punkt übernehmen vielschichtige Ängste die Kontrolle. Dagegen steht eine Leistung des Verstandes, die uns akzeptieren lässt, dass wir uns vielleicht doch mit dieser Veränderung auseinandersetzen müssen und dass vielleicht sogar Chancen darin verborgen liegen. Im aktuellen Fall der Flüchtlingskrise kommen weitere Faktoren dazu. Nachrichten wie die über die Silvesternacht in Köln und eine unglaublich schlechte mediale Aufbereitung der Ereignisse sorgen dafür, dass unsere natürlichen Wachsamkeits- und Misstrauensmechanismen gegenüber Fremden auf Alarmstufe Rot gefahren haben. Die sind nicht nur sehr viele, die sind auch noch böse. Die Gesellschaft beginnt an vielen Stellen unangemessen zu verallgemeinern. Da nehme ich mich selbst auch nicht aus. Man wird vorsichtiger und tritt den Menschen vielleicht nicht mehr ganz so optimistisch entgegen.

Versagen des Rechtsstaates?

Ursachen und Wirkung liegen nah beieinander. Viele der Straftäter aus Köln sind offensichtlich polizeibekannt. Der Rechtsstaat hat bei diesen Tätergruppen versagt. Geltendes Recht wird nicht durchgesetzt. Beteiligt sind Staatsanwälte, Richter, aber auch die ermittelnden Behörden. Diese Verhalten betrifft mitnichten nur ausländische Täter, fängt sich aber nun an doppelt zu rächen. Was soll schließlich passieren, wenn man viele junge Männer, auf zu geringem Raum, mit zu geringer Privatsphäre unterbringt? Ich würde behaupten, es ist nahezu egal, welche Nationalität diese Menschen haben – da kann nur Stress bei herauskommen. An dieser Stelle muss die abschreckende Wirkung der Gesetze dann so groß sein, dass unsere Kultur des Zusammenlebens stärker ist, als die entstehende Gruppendynamik samt Sozialisierung durch verbrecherische Banden. Geltendes Recht muss durchgesetzt werden. Allein diese Tatsache würde das etwas ins Wanken geratene Vertrauen in unsere innere Sicherheit deutlich stärken. Dazu gehört aber eben auch, dass keine Verallgemeinerungen zugelassen werden. Das wird den Menschen nicht gerecht.

Die Mammutaufgabe an unsere Gesellschaft lautet die Menschen in ihrer Mitte zu integrieren. Ihnen zu zeigen, wie wir zusammen leben und vor allem, wie wir zusammen leben wollen. Die Vermittlung der Werte unserer Gesellschaft. Dazu gehört auch als Gesellschaft bereits zu sein sich zu verändern. Verhindern können wir das eh nicht. Genauso wenig, wie der immobile Häuslebauer, in dessen Nachbarschaft nun eine Flüchtlingsunterkunft steht und der sein Betongold wertschwinden sieht. Wenn wir uns auf die Menschen zubewegen, wird es uns viel einfacher fallen diese in unserem Sinne zu beeinflussen, als wenn wir uns vor ihnen verstecken, unterschiedliche Gefühle der Angst kultivieren oder diese Menschen einkasernieren. Wer immer nur in Dimensionen der Angst lebt, der wird auch immer Angst haben. Das es auch anders geht zeigen zum Glück ganz viele Beispiele von ehrenamtlicher Arbeit in den vielen Einrichtungen in Deutschland. Wir brauchen Mut, Anpacken und Vertrauen einer freien Gesellschaft, um diese Leistung zu bringen. Inklusive der Bereitschaft uns weiter zu entwickeln. Jeden Tag, jeder von uns und in ganz Europa. Dafür sollten wir uns einsetzen!