Nun ist es schon einige Tage her, dass die ARD in einem Beitrag das Unternehmen Wiesenhof angegriffen hat. Es ging dort um schlimme Zustände in Hühner- und Putenställen und einen widerlichen Umgang mit den Tieren. Hier geht es zu der ARD Reportage. Die Reportage war mit Bildern versehen, die ohne Probleme dem Prädikat ekelig, vernichtend und abstoßend gerecht werden. Am besten schauen sie sich das selbst an.
Das Unternehmen selbst reagierte vorbereitet auf die Ausstrahlung und konterte mit einem eigenen Filmchen (siehe unten). Hier wurde auf die Vorwürfe eingegangen und sehr ähnliche Aufnahmen aus Hühnerställen gezeigt. Jedoch mit warmen Farben und sanften Unscharf-Effekten versehen. Da sieht das Thema schon ganz anders aus. Eine aus meiner Sicht recht gelungene Krisen-PR, die versucht auf der Basis des Vorwurfs methodischer Fehler die Aussagekraft der Ursprungsreportage zu reduzieren und diese somit unglaubwürdig zu machen.
Welche Probleme werden aufgezeigt?
In dem Film der ARD werden verschiedene Problembereiche angesprochen. Zum einen der schlechte Umgang von Menschen mit Tieren. Das ist bei einem Unternehmen dieser Größe vermutlich nicht dauerhaft und grundsätzlich zu verhindern. Es wird immer wieder Mitarbeiter geben, die bei der Arbeit mit Lebewesen derart abstumpfen, dass es zu solchen, wie den gezeigten Exzessen kommt.
Zum anderen geht es um die grundsätzlichen Haltungsbedingungen von Tieren für die Fleischproduktion. Allein die Bezeichnung Produktion ist dabei schon abschreckend.
Und dann gibt es da noch die Frage nach der Bezahlung von Mitarbeitern. Wiesenhof speist Mitarbeiter mit 5,50 Euro/Stunde ab, wenn man dem Film glauben darf. Ein Hungerlohn samt Nebenwirkungen.
Das Streben nach Gewinn
In der Summe steht hinter all diesen Problemen vermutlich nur ein beherrschendes Thema: Gewinnoptimierung. Ich bitte das nicht falsch zu verstehen, gegen Unternehmen, die nach Gewinnen streben ist vom Grundsatz nichts einzuwenden. Dafür sind Unternehmen da. Es ist aber etwas gegen Unternehmer zu sagen, die aus einem egoistischen Gewinnstreben heraus das Gemeinwohl gefährden. Bleibt die Frage, ob die Firmenchefs von Wiesenhof das Gemeinwohl tatsächlich gefährden. Ich persönlich nehme folgendes an: Wer Nahrungsmittel immer billiger herstellt, wird zwangsläufig irgendwann auch Qualitätseinbußen in Kauf nehmen (müssen).
Natürlich schreit der Markt nach billigen Produkten und man könnte meinen, ein Unternehmen wie Wiesenhof würde sich „nur“ an der Marktnachfrage orientieren. Natürlich könnte man auch meinen, dass in einem wettbewerbsdominierten Marktsegment ein anderer die eigene Position einnähme, würde man diese nicht so treffend erfüllen. Und natürlich könnte man sagen, dass die Billiglohnkräfte sonst gar kein Geld verdienen würden.
Probleme sind selbstgemacht
Im Wettbewerb der Hühnerfleischproduzenten geht Absatz scheinbar nur über den Preis. Der handelsübliche Kunde fragt wohl nicht nach Qualität. Vielmehr wird ein Tiefkühlhuhn heute zu einem Preis verkauft, zu dem man in einer Bio-Zucht nicht mal das Futter kaufen könnte – ohne Huhn und ohne Infrastrukturkosten. Der Verbraucher verlässt sich auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die verhindern sollen, das da Schmu in seinem Kochtopf landet. Genau auf diese Rahmenbedingungen wird dann auch gerne von den Fleischproduzenten verwiesen. Nur reichen diese Regelungen aus, um der Profit-Kreativität einzelner Unternehmer gerecht zu werden? Und was ist mit gesellschaftlicher Verantwortung gegenüber seinen Kunden?
Ich sags mal mit Sina Trinkwalder: Jeder muss mal Federn lassen. Und ich bin gespannt, wie der Dialog zwischen Sina und Wiesenhof Senior-Chef Paul-Heinz Wesjohann sich weiter entspinnt. Was passiert wohl, wenn ein Billiglohn-zahlender Hühnerproduzent auf eine öko-soziale Unternehmerin trifft? Lassen wir uns überraschen.