Die SPD entdeckt grad die Digitalität als Thema aus der Mitte der Gesellschaft. Der Arbeitskreis Digitale Gesellschaft der SPD Schleswig Holstein ruft in diesem Zug zur Blogparade rund um das Digitale Leben auf. Nun bin ich zwar Niedersachse, nutze dennoch die Gelegenheit mich in diesen Dialog einzubringen und die 10 Fragen des Arbeitskreises zu beantworten. Nord-Nord-Export, wenn man so möchte.
In einer digitalen Welt zu leben, bedeutet für mich…
Eine digitale Welt als solches gibt es ja nicht. Es gibt eine ganz körperliche, reale Welt, die um ein paar digitale Extrafunktionen ergänzt wird. Wenn man damit die digitale Welt bezeichnen möchte, gut. Mein persönlicher Nutzen liegt in manigfaltigen Kommunikationsmöglichkeiten mit Menschen, die sich nicht in Rufweite befinden oder im stetigen Zugriff auf aktuelles und dokumentiertes Wissen. Nachdenklich stimmen mich die antidemokratischen Überwachungstendenzen die von demokratisch gewählten Regierungen derzeit ausgehen. Ich habe die Hoffnung, dass wir diese vornehmlich an Machtstrukturen orientierte Irrung und Wirrung der digitalen Geschichte alsbald abhaken können. Zu wertvoll sind die Möglichkeiten der Kommunikation, der Meinungsfindung und der Entwicklungen im Bereich digitaler Technologien und in der Bedeutung für freie Völker und Menschen.
Mein Computer ist für mich…
Einen Computer als den Computer gibt es eigentlich nicht mehr. Ein permanenter Begleiter ist mir das SmartPhone geworden. Damit kann ich nahezu immer interagieren und auf Informationen zugreifen. Ein weiterer Computer ist das Tablet, welches Zuhause auf dem Sofa als Second Screen gute Dienste verrichtet und das Fernsehprogramm immer wieder wertvoll ergänzt. Im Rahmen der Ausübung meines Berufes setze ich auf einen leistungsstarken Laptop, der mir (zumindest theoretisch) ermöglicht zu arbeiten, wo ich möchte. Ohne Anbindung an das Internet sind alle diese Computer jedoch nur halb so spannend.
Wirklich gut! Die größte Chance durch die Digitalisierung ist…
Viele Menschen in eine sehr transparente und damit verifizierbare Form des Dialogs zu kriegen. Meinungen werden Sichtbar, können sich durch die Masse der betroffenen Personen verdichten und schaffen es Wirkung zu entfalten. Anders, als das vielleicht in Vergangenheit möglich war. Die demokratischen und echtzeitigen Potenziale des Netzes, wenn man so möchte.
Bedrohlich! Wir müssen aufpassen, dass…
… alte Machtstrukturen das Netz mit der Idee des Machterhaltes korrumpieren. Wir sehen solche Entwicklungen gerade im Rahmen der Geheimdienstaffären mit BND, GHCQ und NSA. Da geht es um das Aushebeln von Landesgesetzen, um Erpressbarkeit, Manipulation der Meinungsbildung und andere höchst verwerfliche Strömungen. Diese entstehen, wenn Geheimdienstler Ihre Arbeit den technischen Möglichkeiten anpassen und dabei nicht ausreichend kontrolliert werden. Hier bedarf es deutlich mehr Transparenz und Wachsamkeit!
Die Digitalisierung verändert mein Leben durch…
… die Überwindung von Raum und Zeit. Örtlich weit entfernte Menschen rücken durch digitale Technologien ganz nah an mich heran. Ich kann durch dokumentierte Inhalte partizipieren, die an anderen Orten zu anderen Zeitpunkten stattfinden. Die Reise zum Wissen ist jetzt nur noch einen Mausklick entfernt. Die Teilhabe am Leben meiner Freunde, Familie oder von anderen Menschen jederzeit (in Ausschnitten) möglich, soweit diese mir das gestatten. Privatsphäre wird neu definiert.
Chatten mit den Enkeln, Einkaufen per Mausklick, Arbeiten ohne feste Bürozeiten. Was bringt die Digitalisierung für Familien und Ältere?
Möglichkeiten zur Teilhabe. Meine Eltern bspw. nehmen seit Facebook viel intensiver an meinem Leben teil, als es zuvor möglich war. Aber auch die Möglichkeiten beim Abbau von Barrieren sind großartig. Nehmen wir die Anbahnung von Partnerschaften oder spezielle Reiseangebote für spezielle Zielgruppen. Vor der Digitalisierung dieser Angebote war das ein sehr schwierig zu recherchierendes Geschäft.
Programmieren in der Grundschule, das gesamte Faktenwissen der Welt in der Suchmaschine. Wie sollte Bildung der Zukunft aussehen?
Es ist ein Irrglaube, das Bildung in der Schule anfängt oder dort aufhört. Als Gesellschaft müssen wir lernen, dass wir permanent lernen. Jeder von uns kann heute zu einem Intellektuellen werden, auch ohne das Abonnement von achsoverrückten und schwerverständlich geschriebenen Feuilletons. Das Wissen ist da, die Schule der Zukunft sollte uns zeigen, wie wir es anwenden können. Wie funktioniert beispielsweise Mitarbeiterführung? Wie funktioniert eine Organisation? Entgegen der politischen Strömungen uns das selbstständige Denken abzugewöhnen, bietet sich die Chance das selbstständige Denken von der Bevölkerung stärker einzufordern und so die Staatsquote nachhaltig zu senken. Das geht natürlich nicht in zwei, drei Jahren.
An jedem Ort arbeiten können und ständig erreichbar sein. Was bedeutet das für Arbeit im Digitalen Zeitalter?
Für ganz viele Berufe ändert sich nichts. Der Hufschmied muss schon am Pferd stehen, wenn er das Hufeisen draufnageln möchte. Für Geistesarbeiter wird sich das Modell der Präsenzzeiten sicher stärker verändern. Herausforderungen liegen in Bereichen, in denen Abstimmungsprozesse in Echtzeit notwendig werden. Grundsätzlich wird sich viel in den Strukturen in Unternehmen ändern. Da geht es künftig um Agilität, Anpassungsfähigkeit und ganz viel um Kommunikation – also die Weitergabe von Informationen. Vergleichbar mit den neuronalen Funktionen eines Gehirns, die setzen ja auch nicht auf starren Hierarchien auf.
Was müssen wir im digitalen Zeitalter tun, damit unsere Wirtschaft erfolgreich bleibt?
Eine wesentliche Aufgabe ist es, als Gesellschaft neu zu verorten was Erfolg ist. Ist derjenige der Erfolgreiche, der maximal seinen Individualismus auslebt, vielleicht sogar über seine Verhältnisse (wie es die Bundesregierung tut). Oder vielleicht auch noch zu Lasten und auf der Arbeitsleistung vieler anderer? Oder ist es Erfolg etwas an dem möglichst viele partizipieren können sollten – nicht als frei Haus gelieferte Version, man muss schon etwas dafür tun. Als Gesellschaft zu funktionieren, achtsam miteinander und den Ressourcen umzugehen, niemanden zu verlieren, das wäre vermutlich ein großer Erfolg. Das derzeitige Erfolgsmodell setzt den Erfolg einzelnen über den Erfolg der Gesellschaft und läuft in vielen Bereichen sehenden Auges in die Krise: Verbrauch von Rohstoffen, Leben über den Verhältnissen, Rücksichtslosigkeit und das Ausnutzen von Systemen. Eine Sackgasse. Entsprechend sollte es eine gesellschaftliche Diskussion über die Bewertung von Erfolg geben – angestiftet und getragen durch die politische Führungen der Länder. Alles andere kommt dann im besten Fall von ganz allein, egal ob analog oder digital.
Innerhalb der Wirtschaft ist das Stichwort Digitale Transformation von großer Bedeutung. Da geht es um Anpassungsfähigkeit, Werte, Ideen, Strukturen und letztendlich auch die gesellschaftliche Bedeutung. Das ist halt nichts, was man mit einem neuen Online-Shop hinbekommt.
Die Digitalisierung schafft Chancen und birgt Risiken. Von der SPD erwarte ich, dass…
…die als Partei endlich ihre Verantwortung wahr nimmt! Wir leben in einer Zeit schlechter politischer Anführer. In der Welt, in Europa und auch in der SPD. Das erzeugt falsche Strömungen, falsche Vorbilder und letztendlich rückwärts gewandte Politik. Vieles von dem was derzeit geschieht ist Makulatur mit kurzfristigen Effekten und zielt ausschließlich auf den Machterhalt. Ein Systemfehler.
Zudem wird eine grundsätzliche Frage – die wichtigste aller Fragen – wird von der Politik nicht beantwortet: Wie wollen wir als Gesellschaft in 10, 20 oder 50 Jahren Leben? Wie werden die Rahmenbedingungen dazu aussehen müssen? Welche Schritte müssten dazu heute eingeleitet werden? So visionär scheint Politik in einer von Angela Merkel geprägten Ära der reagierenden Politik nicht mehr sein zu dürfen. Ran da SPD, das wäre ein echtes Alleinstellungsmerkmal!