Welchen Preis hat Freiheit?

Gar nicht so einfach einen passenden Blogbeitrag zu verfassen. Die Ereignisse des Wochenendes in der Türkei wirken nach, anders kann ich es nicht beschreiben. Die Art und Weise, wie durch Zensur und staatliche Willkür Medien in einem Land manipuliert beeinflusst werden, ist erschreckend. Die Art, wie ein Land mit Bürgern aus der Mitte seiner Bevölkerung umgeht ist verstörend. Dass Erdogan die Teilnehmer an Protesten pauschal mit Terroristen gleichsetzt, ist eine Bedrohung für die Demokratie.

Bei der Wahl der vorgetragenen Argumente des türkischen Staatslenkers Erdogan beschleicht einen irgendwie das Gefühl, diese Parolen habe man schon einmal gehört: Beeinflussung vom Ausland, Verschwörung, Desinformation durch ausländische Medien. Genutzt wurden ähnliche Aussagen in der Vergangenheit meist von Staatsführern, die mit dem Rücken an der Wand standen und in schlimmen Fällen kurz danach einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung vom Zaun brachen. Hoffen wir, dass dieses Szenario der Türkei erspart bleibt. Heute schon werden in der Türkei Fernsehsender abgeschaltet und auch Twitter und Facebook sind bei Erdogan aufgrund der transparenten Möglichkeit zur freien Meinungsäußerung verhasst. Daher lautet das derzeitige (Zwischen-)Ergebnis für die Türkei wohl: Rolle rückwärts für ein Land auf dem Weg in eine freiheitliche, rechtsstaatliche Demokratie. Verursacht durch eine kurzsichtig agierende und machthungrige Staatsführung.

Polizeigewalt gab es auch bei uns schon. Aber anders.

Die Ereignisse vom Tahir-Platz und aus dem Gezi-Park erinnern mich persönlich stark an den Dickkopf des damaligen Ministerpräsidenten von Baden-Würtemberg, Stefan Mappus. Auch der hat im Rahmen der S21-Proteste mit allen Mitteln, u.a. mit Wasserwerfern und prügelnden Polizisten versucht seinen Kopf durch zu setzen. Auch hier ging es um einen Park, auch hier demonstrierte die Mitte des Volkes, auch hier schoss die Polizei weit über das Ziel hinaus und auch hier spielten Soziale Medien bei der Verbreitung von Informationen eine wichtige Rolle. Staatliche Manipulation der Medien gab es hier nicht, auch, wenn manche Berichterstattung zunächst der Linie des Ministerpräsidenten folgte. Spätestens jedoch mit den brutalen Bildern der Aktion änderte sich das schlagartig. Der Konflikt wurde daraufhin in eine Schlichtung überführt. Denoch wird er sicher noch viele Jahre die Gerichte beschäftigen. Eins passierte noch: Dickkopf Mappus wurde kurz danach abgewählt. So läuft das, oder besser, so sollte es in funktionierenden Demokratien laufen, wenn Macht derart deutlich missbraucht wird.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Dinge in der Türkei entwickeln, wo derzeit jeder als Terrorist eingestuft wird, der die Proteste unterstützt. Terrorist scheint seit der Verwendung des Begriffes durch George W. Bush nach den Anschlägen vom 11. September die ultimative Killerphrase für jegliche Form des Aufbegehrens gegen staatliche Strukturen zu sein.

Stichwort: Terrorist

Neben der fluktuativen Verwendung des Begriffs Terrorismus durch Ministerpräsident Erdogan wird der Begriff im Moment auch gerne von Innenministern anderer Demokratien verwendet. Wenngleich im Sinne der Gefahrenabwehr. Großen Blödsinn dazu kann man derzeit rund um den Datenüberwachungsskandal durch das Überwachungsprogramm Prism des NSA lesen. Nun kommt die datenhungrige Geheimdienststruktur der USA zunehmend in Erklärungsnot, selbst Bundeskanzlerin Merkel will das Thema beim nächsten Gespräch mit US-Präsident Obama auf die Agends setzen. Schon heute stellt die Summe der erfassten Daten die Leistungen der Stasi im DDR-Regime in den Schatten. Das hält die Innenpolitiker jedoch nicht davon ab, nun ähnliche Überwachungsinfrastrukturen installieren zu wollen. So verteidigt Innenminister Friedrich das Vorgehen der US-Geheimdienste und stellt für den deutschen Geheimdienst BND ein 100-Millionen-Euro-Prgramm zum Aufbau einer entsprechenden Überwachungsinfrastruktur auf die Beine.

Welche Interessen dabei verschmelzen, beschreibt ein Artikel von Frank Schirrmacher in der FAZ sehr treffend. Die Folge, Demokratische Strukturen wandeln sich mehr und mehr in Überwachungsstaaten. Die Gratwanderung zwischen dem Nutzen einer Gefahrenabwehr und dem Eingriff in die freiheitlichen Rechte der betroffenen Bürger ist dabei fließend, Missbrauch wird denkbar einfach, wenn der Staat zu viel über seine Bürger weiß. Die USA bespitzelt übrigens keine eigenen Bürger, sondern nur Personen außerhalb der USA – also Personen, von denen viele in freiheitlich demokratischen Staaten leben. Diese Spionage im Garten des befreundeten Nachbarn ist schwer mit ethisch moralischen Werten nachzuvollziehen. Insbesondere da die Regierungen der betroffenden Länder scheinbar nicht in den Prozess integriert sind.

Welchen Preis hat Freiheit?

Mich persönlich stimmen all diese Entwicklungen sehr nachdenklich. Ganz abgesehen davon, das auch die Entwicklungen in Russland derzeit sehr kritisch zu bewerten sind – dort finden nach der sehr umstrittenen „Wiederwahl“ von Putin nun bereits massive Einschränkungen der Bürgerrechte statt. Mit der Folge das NGO’s und homosexuelle Bürger nun quasi auf der Abschussliste stehen. Mit dem freiheitlichen Gedanken einer Demokratie ist das nur schwer bis gar nicht zu vereinen.

Welche Legitimation haben Staatslenker, die Ihren Posten nicht loslassen können?
Welche Legitimation haben die Überwachungsfantasien und der Innenminister und die Datensammelwut der Geheimdienste?
Ab wann werden damit Grundprinzipien der Demokratie gefährdet?

Man kann es nicht oft genug fragen: Welchen Preis hat Freiheit?