Wertschöpfung und Steuern

Die Bundesregierung erkennt langsam, dass durch den digitalen Wandel Veränderungen eintreten, die neben privatwirtschaftlichen Innovationen auch Leitplanken aus der Politik bedürfen. Kanzlerin Merkel sagt dazu sinngemäß, sie beobachte, wie der Wandel in einer rasanten Geschwindigkeit voranschreite. Damit meint sie insbesondere Dinge, die unter dem Schlagwort Industrie 4.0 zusammengefasst werden. Im Detail geht es um Wertschöpfungsketten, tragfähige Infrastrukturen und den Bedarf an globalen Lösungen.

Auch Kanzleramts-Chef Peter Altmaier glaubt fest daran, dass mit der Gemächlichkeit der Politik alles seinen Platz finden wird. Meine Frage beim UdL-Digital-Talk in Berlin, ob es politisch nicht schlau sei sich auf globale Lösungen zu konzentrieren, statt hier Schattenkäpfe zu führen, beantwortete er sinngemäß mit Klein vor Groß. Erst nationale Lösungen, dann kontinentale Lösungen und vielleicht irgendwann internationale Rahmenbedingungen für die Wirtschaft – so die Devise aus dem Bundeskanzleramt. Das die Wirtschaft mit TTIP und CETA längst eigene Lösungen sucht und – zumindest die europäische – Politik vorführt hat er dabei aus den Augen verloren. Es besteht die Gefahr, dass die Interessen der großen Wirtschaftsunternehmen und Ihrer Investoren die Politik weiter korrumpieren und langsam in die Wirkungslosigkeit überführen. Es fehlen dringend globale Absprachen. Wie sich mit geschickten Tricks wirkungsvoll Steuern sparen lassen zeigen die großen Player ja bereits heute. Die Politik schaut zu.

Steuerflucht auf legalen Wegen

Wir befinden uns durch den digitalen Wandel in einer Phase der Umverteilung. Die Kreisläufe in den Wertschöpfungsketten verändern sich. Ganze Wirtschaftszweige stehen vor großen Verwerfungen. Allen voran der stationäre Handel, der bereits seit vielen Jahren dem Wettbewerb aus dem Internet ausgesetzt ist. Aber was bedeutet das?

Bislang hat der Handel seine Umsätze lokal erwirtschaftet und einen Teil seiner Gewinne unter anderem über die  Gewerbesteuer wieder in die lokalen Haushalte zurückgespült. Kaum einer bedenkt, die Kommunen leben zu einem großen Teil von den Gewerbesteuereinnahmen. Fallen diese Einnahmen nun weg, weil wir komfortbewussten Kunden nun nicht mehr in die Stadt zum Händler laufen, sondern bequem vom Sofa bestellen, dann wird das die Kommunen früher oder später vor große Probleme stellen. Innenstädte drohen zu veröden und große Teile der von uns geliebten Infrastruktur werden unbezahlbar.

Die großen Internethändler machen uns heute bereits vor, wie man Geld an einer Stelle vereinnahmt, aber an anderer steuergünstiger Stelle versteuert. Ich persönlich wundere mich zumindest immer wieder darüber, warum ich in Deutschland bestelle, die Lieferung und die Rechnung aber aus Luxemburg kommt. Auch die deutschen Händler wählen Ihren Standort möglichst Gewerbesteuergünstig, denn die Hebesätze unterscheiden sich sehr stark, ein Beispiel, dass sogar von kurzsichtigen Politikern kopiert wurde. Zumindest letzteres wurde inzwischen zum Glück wieder korrigiert.

Steuern dort abführen, wo Wertschöpfung entsteht

Reift die Erkenntnis, dass durch ganz legale Tricks die steuerliche Wirksamkeit des wirtschaftlichen Handelns so leicht auszutricksen ist, müsste aus meiner Sicht die Politik darauf reagieren. Steuern müssten dort entstehen, wo wertgeschöpft wird. Wenn das auf lokaler Ebene nicht klappt, dann müsste es zumindest auf nationaler Ebene gelingen – neue nationale Verteilkreisläufe eingeschlossen. Es sollte den multinationalen Konzernen nicht erlaubt sein, lokale Märkte auszubluten, in dem man die Gewinne mitnimmt, aber nichts in den Wirtschaftskreislauf zurückfließt. Wenn nichts nachrückt, ist irgendwann nichts mehr zu holen. Spätestens hier kommt die Politik ins Spiel – eine kleine Veränderung im System kann viel bewirken.

Aber auch deutsche Unternehmen agieren im Weltmarkt mit den gleichen Methoden. Auswirkungen sind beispielsweise die Verlagerung von Produktionskapazitäten in „günstigere“ Länder oder eben die riesige Exportquote, die wir Deutschen jedes Jahr erwirtschaften. Es wird gemacht, weil es geht und was grad noch so legal ist. So lange die globalen Lebens- und Umweltstandards sich weiter gravierend unterscheiden wird diese Methode weiter Oberwasser haben. Die Wirtschaft nimmt einfach keine Rücksicht auf potenzielle Folgen ihres Handelns. Sie lebt im hier und jetzt. Die Manager sind durch die Shareholder aufgefordert genau heute Gewinne zu erwirtschaften – morgen müssen halt neue Lösungen gefunden werden. Die Politik sucht schon lange passende Antworten darauf.

Globale Umverteilung – wird Deutschland der Verlierer?

Längst ist der digitale Wandel zu einem globalen Wettbewerb der Ideen geworden. Amerika positioniert sich selbstbewusst an der Spitze der Wertschöpfung und stört aufkommenden Wettbewerb um diese Position recht wirkungsvoll. Das betrifft auch Europa. Durch TTIP werden bspw. Regelungen getroffen, die künftig viele politische Entscheidungen wirkungsvoll blockieren oder zumindest erschweren können. Die Entfremdung der Nachbarn aus Russland und Europa ist vermutlich ein weiterer Baustein in der großen Strategie der Amerikaner. Die Presse beschreibt bereits einen Wirtschaftskrieg – ganz so weit weg ist das vermutlich nicht.

Was bedeutet es für Deutschland? Die Regierung müsste mit großer Energie für globale Regelungen werben, die allen Ländern erlauben von der digitalen Transformation zu partizipieren. Wertschöpfung müsste ein Prinzip der Ortsschuld beinhalten. Die Bemühungen um den Datenschutz und die Kontrolle staatlicher und privater Cyberwar-Infrastrukturen müssten zunehmen. Es wird Zeit zu handeln!